miserable.outskirts
[ Frau Hellmann wohnt da. ]
[ Frau Hellmann wohnt da. ]
Zu Protektionismus, Diversion und Unbescholtenheit ist dieser Tage viel geschrieben und gesagt worden, ich habe weder Neues noch Substanzielles beizutragen, dazu fehlt es mir auch an juristischer Sachkenntnis. Aber ich bin eine von den Leuten da draußen, von den Menschen im Land, und ich nehme zur Kenntnis, denk mir mein Teil und vergesse das nicht, da bin ich Elefant.
Dass Postenschacher & Co schon früher Alltag waren in der Republik, dass die Großparteien, so könnt eins fast glauben, nur deshalb groß waren, weil ohne Parteibuch wenig bis nix ging, weil Erfolg vor Blut, Schweiß, Tränen und dem ganzen Tralala erstmal und zuvörderst Beziehungen brauchte, um überhaupt an den Start zu kommen – geschenkt. Obwohl es schon damals bizarr anmutete, dass dies nötig war, um nicht perspektivarm dahinzusumpern, das war ja kein Land mit Mangelwirtschaft, sondern eines im Aufschwung, da hätten Chancen doch nicht als knappes Gut gehandelt werden müssen.
Hilft nix, wurde resigniert gewitzelt, der Österreicher als solcher sei genetisch bedingt ein gschamster Diener, der sich Erwünschtes erschleime und artig buckle, ob vor dem lokalen Adligen einst oder dem Parteigranden jetzt, Jacke wie Hose. Und wo das Parteibuch nicht reicht und niemand wen kennt, der wen kennt, der wen kennt, bleibt immer noch das diskrete Kuvert, der Balkan beginnt halt am Rennweg1. Büchel, Beziehungen oder Bakschisch, irgendein Vitamin B brauchst zum Weiterkommen, das werden du und ich nicht ändern.
Zutreffende Vorhersage, wie es scheint, der Korruptionsindex2 lügt nicht. Aber der Fatalismus hat abgenommen, jedenfalls bei mir: es ist vielleicht so, aber es müsst nicht so sein. Es sich richten zu können, scheint weniger beneidenswert als kritikwürdig, einem Parteifreund an qualifizierteren Bewerber:innen vorbei zu einem Job zu verhelfen, erregt deutlichen Unmut. Nicht nur, weil derlei Postenschacher inzwischen gegen gesetzliche Regeln verstößt, sondern ganz grundsätzlich:
Wegen der Chancengerechtigkeit warats nämlich, und wegen der Fairness. Und weils nicht angehen kann, von Leistung, die sich lohnen muss, zu schwadronieren, aber Parteifreundschaft viel lohnender zu machen, ganz wie früher, als wär die Zeit vor Jahrzehnten stehengeblieben. Folgerichtig denn auch kein Reflektieren, kein Überdenken, keine Einsicht; hätt mich eh sehr überrascht, wenn doch. Auch nicht überraschend, wenn so ein Parteiling „in einem Atemzug Verantwortung übernimmt und sich aus ihr stiehlt“, wie Günter Traxler das im Standard3 so hübsch formuliert hat. Aber ein paar Sachen waren dann doch, die ich so nicht erwartet hätte, nicht 2025.
Die strafrechtliche Erledigung der Geschichte per Diversion ist sowas, ich mein, WTF?! Verstehen Sie mich nicht falsch, Diversion statt Strafprozess find ich grundsätzlich super – aber einem hochrangigen Politiker, dem Missbrauch der Amtsgewalt vorgeworfen wird, Diversion anbieten? Warum? Um ihm eine allfällige Vorstrafe zu ersparen, die seiner Karriere und Zukunft abträglich sein könnte? Oder was der Gründe mehr sind, warum Diversion einst eingeführt wurde. Ernsthaft jetzt? Und wenn schon Diversion, warum Geldzahlung4 als Maßnahme? Warum nicht zB gemeinnützige Arbeit? Eine Zeitlang hackeln bei einer Antidiskriminierungseinrichtung – Diskriminierung war ja, was der ausgebremsten Bewerberin widerfahren ist -, da hätt ihm vielleicht was gedämmert; und wenn nicht, wär doch die Außenwirkung eine andere gewesen als: Da hat sichs wieder wer richten können, und ziemlich billig noch dazu.
Unerwartet für mich auch, dass der Kanzler der Republik sich so unverhohlen wie ungeniert sehr freut5, dass sein Freund so umstandslos aus der Sache rauskam, und als Parteiobmann die Angelegenheit damit für erledigt erklärt. Das pack ich noch immer nicht: Der Bundeskanzler ist erfreut, dass eingestandener Missbrauch der Amtsgewalt durch einen Spitzenpolitiker keinen Fleck auf dessen weißer Weste hinterlässt. Der Bundeskanzler. Er hätt ja als Freund erfreut, als Parteiobmann zufrieden sein, als Kanzler aber sagen können, dass nun mehr denn je für Transparenz und saubere Politik gearbeitet werde. Oder sowas in der Art. Statt dessen Freude. Beim Kanzler. Beim Parteiobmann. Alles paletti, supersauber, unbescholten. Was sollte es danach denn anderes geben und geben können als business as usual?
Ich hatte tatsächlich gedacht, dass irgendwie wenigstens die Form gewahrt werden würde, Sie wissen schon, das übliche „Wir haben verstanden“-Salbadern mit angedeuteter Nachdenkbereitschaft, die Ankündigung interner Gespräche, wie es nun weitergehen solle in der Partei – Leitlinien, Verhaltenskodex, dies, das -, und natürlich mit dem Unbescholtenen. Aber selbst dieser geringe Aufwand entschlossener Lippenbekenntnisse zu Transparenz und gegen Filz in allen Ausprägungen ist der Kanzlerpartei zu viel. Was aber doch auch eine Form von Transparenz darstellt, weil es halt sichtbar macht, dass sogar jenes kleine Futzerl Anstand und Moral fehlt, das es allein für die Idee von Betroffenheitssimulierung gebraucht hätte.
Und schließlich die kleinen Regierungsparteien, die zu zweit die drei Affen geben, obwohl sie nicht ernsthaft glauben können, Schwürkis ließe die Koalition platzen, wenn sie in dieser Sache klare Kante zeigen. Oder haben die schon keine Kanten mehr, die sie zeigen könnten? Ist, sobald einmal die Sitze an den Schalthebeln eingenommen sind, alles blunzn? Koalitionsdisziplin der wichtigste Maßstab? Da ist eine Chance, sich zu profilieren, glaubwürdig für jene Werte einzutreten, die im Wahlkampf groß auf die Fahnen geheftet wurden, eine Chance, beim Wahlvolk einen guten Eindruck zu hinterlassen – und sie wird nicht ergriffen, weil die Kanzlerpartei verschnupft reagieren könnte?
Da reagiere halt ich als Teil des Wahlvolks verschnupft, verstimmt und vergrätzt. Und nehme zur Kenntnis, dass den Regierungsparteien ihre Befindlichkeiten und Interessen mehr am Herzen liegen als das Land. Und ich merk mir das, bis zur nächsten Wahl und darüber hinaus, also keine falschen Hoffnungen. Jeder Gebrauchtwagenhändler steht in meinem persönlichen Vertrauensindex weiter oben als die aktuelle Koalition. Das zu ändern, wird harte Arbeit für diese.